Montag, 15. Dezember 2014

Gewerbeverband attackiert Konsumentenschutz

Weil der Gewerbeverband kein Rezept gegen den Einkaufstourismus im Grenzgebiet hat, kritisiert er lieber den Konsumentenschutz. Der Gewerbeverband will die Konsumentenorganisationen mundtot machen. Dazu ist ihm fast jedes politische Manöver recht.


Weil der Gewerbeverband kein Rezept gegen den Einkaufstourismus im Grenzgebiet hat, kritisiert er lieber den Konsumentenschutz.Wenn Hans-Ulrich Bigler über uns 
Konsumenten spricht, findet er 
derzeit nur warme Worte. Fast schon ehrfürchtig sagt der Direktor des mächtigen 
Gewerbeverbands, wir seien bestens informierte, mündige Marktteilnehmer, die selbständig entscheiden könnten, welche Produkte zu welchen Preisen und in welchen Mengen wir kaufen wollten. So viel Lob vom obersten Gewerbler freut uns natürlich. Irritierend ist nur, dass 
Bigler so lautstark herausstreicht, dass wir ganz ohne fremde Hilfe einkaufen können. Doch Bigler geht es gar nicht darum. Sein Lob hat Kalkül. Er will uns warnen – vor der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS), die uns aus billigen politischen Motiven entmündigen und als Opfer der Wirtschaft darstellen wolle. Diese Politik der Verbote, Vorschriften und Gebühren schränke unsere Freiheit nur ein und verteuere den Konsum künstlich. Und dafür werde die SKS auch noch vom Bund subventioniert.

 

Entweder Maulkorb oder kein Geld

Jetzt aber sei genug. Bigler will daher die Konsumentenorganisationen vor die Wahl stellen: «Entweder betreiben sie Politik und bekommen keine 
öffentlichen Gelder mehr. Oder sie beschränken sich auf die fakten­basierte, objektive Konsumenten­information und werden dafür subventioniert.» Und weil Bigler erst nächstes Jahr ins Parlament gewählt werden kann, reicht die Schwyzer FDP-Nationalrätin Petra Gössi für ihn in der Herbstsession eine entsprechende Motion ein. Darin legt sie noch nach: «Liberale Konsumentenstimmen», sprich: das Konsumentenforum (KF), würden «gezielt beschnitten und damit die Meinungsvielfalt in den gerade für die Öffentlichkeit 
zentralen Konsumententhemen gefährdet», zudem erhielten sie nicht genug Subventionen. 

Warum nur greift Bigler die SKS gerade jetzt offen an? Und warum will Gössi das Füllhorn über das früher unabhängige, heute praktisch nur noch im Gleichklang mit den Wirtschafts­organisationen operierende KF ausschütten? Eigenartig auch, denn das KF lebt schon heute zur Hälfte von Bundesgeldern. Unterstützung von Konsumentenseite erhält die Organisation kaum mehr. Eigenen Angaben zufolge vertritt es zwar 500'000 Konsumenten, doch an Spenden und Mitgliederbeiträgen nahm es letztes Jahr bloss 58'810 Franken ein. Anders die SKS: 
Sie ist deutlich breiter abgestützt. Sie nimmt 
20-mal mehr Mitglieder- und Gönnerbeiträge ein und finanziert sich nur zu 15 Prozent über Subventionen. Nur zum Vergleich: An Gössis 41-köpfige FDP-Fraktion zahlt der Bund mit jährlich 1,243 Millionen Franken viermal mehr an Entschädigungen als der SKS.

 

Der Gewerbeverband hat kein Rezept

Der Grund für Biglers Offensive ist offensichtlich: Er will die SKS mundtot machen, weil sie immer wieder darauf hinweist, dass insbesondere die Preise von Import­produkten nach wie vor überhöht sind. Und dass der Einkauf auf 
der andern Seite der Grenze so viel günstiger ist. Aber Bigler reagiert, wie das Politiker in solchen Fällen gern tun: Er lenkt von eigenen Versäumnissen ab. Denn der Gewerbeverband hat kein Rezept gegen den boomenden Einkaufstourismus. Und die 
Preise senken will er ja nicht. 

Statt Ursachen zu bekämpfen, verunglimpfen Bigler und sein Gewerbeverband lieber die Überbringer der schlechten Nachricht. Sie appellieren bloss an unsere Moral, doch bitte in der Schweiz einzukaufen und so Arbeitsplätze zu sichern. Sie denken sich lieber neue Hürden aus, um die Rückerstattung der Mehrwertsteuer zu erschweren. Und erfinden neue Subventionen wie Eglisau, das nun eigenes «Einkaufsgeld» drucken lässt, mit dem Einwohner beim heimischen Gewerbe 20 Prozent günstiger einkaufen können. 

Und dann behauptet Bigler auch noch, Konsumentenschutz à la SKS sei schädlich für uns Konsumenten. Wenn die SKS etwa verlange, dass auf Warenetiketten auch die 
Herkunft von Inhaltsstoffen angegeben werden muss, die weniger als 20 Prozent ausmachen, sei das gegen unsere Interessen. Wenn im Internethandel das Widerspruchsrecht eingeführt werden soll, führe das nur zu mehr Bürokratie. Wenn im Rahmen des geplanten Finanz­dienst­leistungs­gesetzes wir Anleger besser geschützt werden sollen, sei das zu unserem Schaden. 

Wenn Hans-Ulrich Bigler uns Konsumenten das nächste Mal über den Klee lobt, wissen wir nun: Das macht er bloss aus billigen politischen Motiven heraus. Und auf einen Konsumentenschutz, der nur dem Gewerbe nützt, können wir Konsumenten problemlos verzichten.

Quelle: Beobachter 19.9.14

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