Die knappe Zustimmung zur SVP-Masseneinwanderungsinitiative reisst Gräben auf,
innerhalb der Schweiz und zu den Nachbarländern. Zwar wollten offenbar
viele Ja-Stimmende den bilateralen Weg mit der Europäischen Union nicht
aufkünden. Doch die EU macht klar: Wer an einem gemeinsamen Binnenmarkt
teilnehmen will, sollte sich – wie im Fussball – an gewisse
Spielregeln halten.
Als erste Reaktion hat die EU die Verhandlungen über ein
Stromabkommen, die Filmförderung und das Forschungsprogramm Horizont
2020 abgebrochen. Der Bundesrat steht vor einer schwierigen Mission.
Immerhin legt die SVP-Initiative keine feste Obergrenze für die
Zuwanderung fest. Dies im Gegensatz zur sogenannten Ecopop-Initiative,
die im Frühling in die parlamentarische Beratung kommt. Ecopop verlangt,
dass die ständige Wohnbevölkerung in der Schweiz pro Jahr maximal um
0,2 Prozent wachsen darf. Niemand weiss, wie dieses Tropfenzählersystem
genau aussehen soll. Doch ein Bruch mit internationalen Verträgen wäre unvermeidbar. Denn wer an einem gemeinsamen Binnenmarkt teilnehmen will, sollte sich an gewisse Spielregeln halten.
Ecopop bezeichnet sich als «Umweltbewegung», weil sie mit der
Begrenzung der Zuwanderung die natürlichen Lebensgrundlagen in der
Schweiz erhalten will. Doch dies ist ein Trugschluss. Erstens schlägt Ecopop keine einzige umweltpolitische Massnahme vor,
sondern fordert eine starre Obergrenze für die Zuwanderung in die
Schweiz. Am steigenden nationalen und globalen Pro-Kopf-Ressourcenverbrauch würde dies gar nichts ändern.
Genau hier besteht aber der dringende Handlungsbedarf. Nur wenn wir die
Verschwendung von Energie und Rohstoffen stoppen und das Kulturland
besser schützen, können wir die natürlichen Lebensgrundlagen sichern.
Zweitens will die Ecopop-Initiative ausschliesslich die ständige
Wohnbevölkerung im Inland limitieren. Ausländische Arbeitskräfte würden
deshalb bei guter Konjunkturlage vermehrt als Grenzgänger und
Kurzaufenthalterinnen in die Schweiz kommen und lange Arbeitswege in
Kauf nehmen müssen. Die Mobilität wäre nach wie vor gross.
Für die «dauerhafte Sicherung der Lebensgrundlagen» spielt es zudem
keine Rolle, ob jemand dies- oder jenseits der Schweizer Grenze lebt.
Höchst umstritten ist drittens die Forderung, in den
Entwicklungsländern die freiwillige Familienplanung zu verstärken. Dass
die Schweiz mit ihrem grossen Ressourcenverschleiss den ärmeren Ländern
hier Vorschriften machen will, ist schlicht und ergreifend überheblich.
Die Antwort auf die berechtige Kritik an ungebremstem Wachstum und an
der Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen liegt nicht in einer
nationalistischen Bevölkerungspolitik, sondern bei der Reduktion des ökologischen Fussabdrucks.
Genau dies ist das Ziel einer grünen Volksinitiative, die den sparsamen
Umgang mit knappen Rohstoffen und das Vermeiden von Abfällen und
Altlasten fördern will. Innovative Unternehmen unterstützen dieses Ziel.
Nun gilt es, auch die Bevölkerung zu überzeugen. Damit sie zwischen
einem konsequenten Umweltschutz und Weg der Abschottung entscheiden
kann, soll die Initiative für eine grüne Wirtschaft am gleichen
Wochenende wie Ecopop zur Abstimmung kommen.
Regula Rytz
ist Nationalrätin und Co-Präsidentin der Grünen.
Montag, 24. Februar 2014
Samstag, 22. Februar 2014
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