Weil der Gewerbeverband kein Rezept gegen den Einkaufstourismus im Grenzgebiet hat, kritisiert er lieber den Konsumentenschutz. Der Gewerbeverband will die Konsumentenorganisationen mundtot machen. Dazu ist ihm fast jedes politische Manöver recht.
Entweder Maulkorb oder kein Geld
Jetzt aber sei genug. Bigler will daher die Konsumentenorganisationen vor die Wahl stellen: «Entweder betreiben sie Politik und bekommen keine öffentlichen Gelder mehr. Oder sie beschränken sich auf die faktenbasierte, objektive Konsumenteninformation und werden dafür subventioniert.» Und weil Bigler erst nächstes Jahr ins Parlament gewählt werden kann, reicht die Schwyzer FDP-Nationalrätin Petra Gössi für ihn in der Herbstsession eine entsprechende Motion ein. Darin legt sie noch nach: «Liberale Konsumentenstimmen», sprich: das Konsumentenforum (KF), würden «gezielt beschnitten und damit die Meinungsvielfalt in den gerade für die Öffentlichkeit zentralen Konsumententhemen gefährdet», zudem erhielten sie nicht genug Subventionen.Warum nur greift Bigler die SKS gerade jetzt offen an? Und warum will Gössi das Füllhorn über das früher unabhängige, heute praktisch nur noch im Gleichklang mit den Wirtschaftsorganisationen operierende KF ausschütten? Eigenartig auch, denn das KF lebt schon heute zur Hälfte von Bundesgeldern. Unterstützung von Konsumentenseite erhält die Organisation kaum mehr. Eigenen Angaben zufolge vertritt es zwar 500'000 Konsumenten, doch an Spenden und Mitgliederbeiträgen nahm es letztes Jahr bloss 58'810 Franken ein. Anders die SKS: Sie ist deutlich breiter abgestützt. Sie nimmt 20-mal mehr Mitglieder- und Gönnerbeiträge ein und finanziert sich nur zu 15 Prozent über Subventionen. Nur zum Vergleich: An Gössis 41-köpfige FDP-Fraktion zahlt der Bund mit jährlich 1,243 Millionen Franken viermal mehr an Entschädigungen als der SKS.
Der Gewerbeverband hat kein Rezept
Der Grund für Biglers Offensive ist offensichtlich: Er will die SKS mundtot machen, weil sie immer wieder darauf hinweist, dass insbesondere die Preise von Importprodukten nach wie vor überhöht sind. Und dass der Einkauf auf der andern Seite der Grenze so viel günstiger ist. Aber Bigler reagiert, wie das Politiker in solchen Fällen gern tun: Er lenkt von eigenen Versäumnissen ab. Denn der Gewerbeverband hat kein Rezept gegen den boomenden Einkaufstourismus. Und die Preise senken will er ja nicht.Statt Ursachen zu bekämpfen, verunglimpfen Bigler und sein Gewerbeverband lieber die Überbringer der schlechten Nachricht. Sie appellieren bloss an unsere Moral, doch bitte in der Schweiz einzukaufen und so Arbeitsplätze zu sichern. Sie denken sich lieber neue Hürden aus, um die Rückerstattung der Mehrwertsteuer zu erschweren. Und erfinden neue Subventionen wie Eglisau, das nun eigenes «Einkaufsgeld» drucken lässt, mit dem Einwohner beim heimischen Gewerbe 20 Prozent günstiger einkaufen können.
Und dann behauptet Bigler auch noch, Konsumentenschutz à la SKS sei schädlich für uns Konsumenten. Wenn die SKS etwa verlange, dass auf Warenetiketten auch die Herkunft von Inhaltsstoffen angegeben werden muss, die weniger als 20 Prozent ausmachen, sei das gegen unsere Interessen. Wenn im Internethandel das Widerspruchsrecht eingeführt werden soll, führe das nur zu mehr Bürokratie. Wenn im Rahmen des geplanten Finanzdienstleistungsgesetzes wir Anleger besser geschützt werden sollen, sei das zu unserem Schaden.
Wenn Hans-Ulrich Bigler uns Konsumenten das nächste Mal über den Klee lobt, wissen wir nun: Das macht er bloss aus billigen politischen Motiven heraus. Und auf einen Konsumentenschutz, der nur dem Gewerbe nützt, können wir Konsumenten problemlos verzichten.
Quelle: Beobachter 19.9.14
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